Die Designmacher bei Braun Nizo
Rams, Oberheim, Schneider
Wer über Nizo-Filmkameras spricht, hat zunächst das puristische, funktionale und zeitlose Design vor Augen, das diese Geräte seit der Übernahme durch die Braun AG 1962 auszeichnet. Sammler von Filmkameras müssen sich bei Nizos mit Sammlern von Braun-Design um die besten Stücke schlagen. Naja, leider nur theoretisch. Denn unter Braun-Freaks sind die früheren HiFi-Anlagen, Radios, Feuerzeuge, Uhren und Taschenrechner der Firma allemal beliebter als Filmkameras.
Die Zeitschrift “Design+Design” aus Hamburg war Herzstück der Fangemeinde. Rund 1.400 Enthusiasten der klaren Strukturen von Braun-Produkten haben das Magazin gelesen.
“Die Unternehmensidentität wird besonders durch das Design der Produkte gestaltet. Alles Sichtbare wirkt viel stärker, als es Worte können”, philosophiert Design-Papst Professor Dieter Rams. Der Braun-Chefdesigner von 1961 bis 1995 hat dafür gesorgt, dass die Marke Braun schnell bekannt wurde und immer im Blickpunkt der Medien stand. Braun = Design, eine Assoziation, die auch Verpflichtung war.
Mit einem kompakten Elektronenblitzgerät geht Braun 1952 erstmals in den Fotomarkt. 1956 folgen Diaprojektoren und die Geschäfte laufen gut. Deshalb stellt sich ab 1957 Hans Gugelot für Braun die Frage, ob man nicht eine 8mm-Filmkamera bauen sollte. Gugelot, der viele Braun TV-, Rundfunk- und Phonogeräte maßgeblich gestaltet hat, stellt einen schlichten Entwurf her. “Form folgt Funktion”, lautet das Leitmotiv. 17 führenden Fotohändlern wird das Konzept vorgelegt. Starke Bedenken wegen der Größe des Gehäuses und der Handhabung veranlassen die Geschäftsleitung, von der Idee Abstand zu nehmen.
In einem zweiten Anlauf versucht man sich an der “Bolsey-8”, dieser kleinsten aller 8mm-Filmkameras. Erfinder Bogopolsky hat starkes Interesse an einer Kooperation, aber Kodak zeigt sich bockig. Dort will man den Film in den Spezialkassetten nicht entwickeln. So verwirft Braun auch diese Idee.
1962 dann die willkommene Übernahme von Nizoldi & Krämer in München. Aus der klobig-bauchigen, türkis-bunten, verspielten “Nizo Allmat 2” soll eine ergonomisch gestaltete, ästhetisch und funktionell reizvolle Kamera werden. Eckig statt rund. Rot-Punkt-Markierungen für die Normaleinstellung. Kontrast zwischen schwarzem Kunstleder in den Griffzonen und hellem Metallic-Lack. So entsteht die letzte Federwerk-Kamera als Gemeinschaftsarbeit von Chefdesigner Dieter Rams mit Richard Fischer und Robert Oberheim: “Nizo FA 3”. Die “Nizo EA 1 electric” ist 1964 eine Kamera, die in schlanker Form und mit schmalem Griff an die Leicina erinnert. Zweifarbige Gravuren – schwarz/rot – und der nach einem Nizo-Patent einklappbare Griff sind interessante Design-Details von Dieter Rams.
Robert Oberheim gestaltet die “Nizo S 8”, die 1965 zum Start von Super-8 in New York vorgestellt wird. Nahezu 18 Jahre lang werden sich “die Silberpfeile” einen großen Kundenstamm erobern. Das mattglänzend eloxierte Aluminiumgehäuse für Seitenteile und Frontplatte steht im Mittelpunkt, der Griff ist aus schwarzem Kunststoff, die restlichen Bereiche aus schwarzem Kräusellack. In formaler Anlehnung an die Super-8-Kassette ist die zum Benutzer gewandte Seite abgerundet. Die S 8 erhält vom Rat für Formhgebung in Frankfurt/Main 1966 den Preis “Gute Form”. Das Nachfolgemodell S 80 von 1968 wird ins “Museum of Modern Art” in New York aufgenommen.
Fünf Automatikfunktionen gilt es, bei den neuen Spitzenmodellen S 480 bis S 800 Anfang der siebziger Jahre unterzubringen. Die Gehäuse werden 5mm breiter. Ein 270 Grad Kreissegment dient jetzt als Filmverbrauchsanzeige. Die S 800 wird erstmals ganz in schwarz angeboten, in einem limitierten Set mit Akku-Ladegerät und Tropenkoffer. Hier sind nun, wie bei den Nachfolgemodellen 481 bis 801 macro, die griffigen Bedienelemente aus Kunststoff, nicht mehr aus Metall. Ein aufgeklebtes, erhabenes Typenschild stellt die Wertigkeit heraus.
Im unteren Preissegment soll 1970 eine eigene Reihe entstehen, die in der Anmutung den großen Kameras ähnelt. Robert Oberheim setzt die S 30 in eindeutigen Bezug zu anderen Braun-Geräten. Das Ganzmetallgehäuse ist wieder aus “Flugzeugaluminium”, die Filmkassette wird nicht mehr von hinten eingeschoben, sondern ein seitlicher Deckel öffnet das gesamte Filmfach. Für die Brennweitenverstellung gibts an der Oberseite eine grüne Wippe. Den Dioptrienausgleich nimmt eine eingelassene Walze an der vorderen Gehäuseseite vor. Mit den Modellen 136 bis 156 hält dann eine Abschrägung der Gehäusefront an Scheitel und Fuß Einzug.
Die Bedeutung des Designs bei Braun führt aber auch zu schwierigen Situationen. Josef Scheibel, früher dort als leidgeprüfter Entwicklungsingenieur tätig: “Es bestimmte einzig und allein die Designabteilung, wie eine Kamera auszusehen hat. Aber nicht immer ließ sich das Innenleben durch die Techniker nach diesen Vorgaben ausrichten. Das führte zu Konstruktionsfehlern.”
1976 präsentiert Nizo Pistentonkameras. “Durch die größeren Filmkassetten ist das bisherige Kameradesign nicht mehr realisierbar. Der durch die Kassettenform quadratische Körper, die sehr hochliegende Achse des Objektivokulars, der senkrechte Griff – das alles bewirkt, dass die Kamera betont hoch und kopflastig erscheinen würde”, meint Dieter Rams und zeigt die Alternative auf: “Der Kamerakörper ist kein Rechteck mehr, der hinzugekommene Tonteil setzt sich deutlich zur waagerechten Ausrichtung ab. Auch der Griff ist waagerecht konzipiert – das Kameragewicht ruht so auf der ganzen Handfläche. Nach Versuchen konzentrierten wir uns schließlich auf den schrägstehenden Griff mit waagerechtem Scharnier. Eine Schulterstütze, wie bei Profikameras, erleichtert das Halten und Führen der Kamera.” Die “Nizo 2056 sound” erhält 1977 den Preis für gute Industrieform aus Hannover.
Erstmalig prägt Braun das eigene Firmenlogo auf Nizo-Tonfilmkameras, als 1978 die Modelle 3048/3056 vorgestellt werden. Die von Peter Schneider gestalteten Tonfilmkameras bekommmen 1979 mit der Integral-Reihe eine preiswerte Ergänzung. Hier bricht das Design mit alten Traditionen. Das Kunststoffgehäuse aus Makralon hat auf der Vorderseite eine Schalterleiste, mit nach oben und unten zu schiebenden, geriffelten Bedienelementen. Die Rot-Punkt-Markierung entfällt, denn jetzt symbolisiert die Mittelstellung der Schiebeschalter die Grundeinstellung für unbeschwertes Filmen. Das im Griff untergebrachte Mikrofon läßt sich 20 Zentimeter herausziehen und hat Nierencharakteristik. Durch die hohe Lichtstärke von 1:1,2 (bei der “Nizo ingegral 10”: 1:1,4) sind die Durchmesser der Objektive reichlich üppig. Es sind die letzten Super-8-Kameras, die Braun produziert.
Einen Bildband zum Thema Nizo-Filmkameras gibt es hier: