Die Arco-Story
Japanische Pioniere (1 von 3)
Nur eine kurze Lebenszeit ist der gewiss innovativsten frühen japanischen Filmkameramarke Arco vergönnt. 1949 gegründet, 1961 pleite. Und der Grund für den frühen Niedergang dieser technisch ausgereiften Kameras ist ganz lapidar: Ähnlich wie bei Niezoldi & Krämer (Nizo) in Deutschland, setzt Arco auf feinmechanische Einzelfertigung zu einem Zeitpunkt, als erstmals Rationalisierung und Massenproduktion angesagt sind. Die Arco-Kameras werden nun schlicht zu teuer – keiner kauft sie mehr. Nizo findet neues Kapital und schlüpft bei der hessischen Braun AG unter. Arco hat keine Chance.
Shigeru Kato, der Gründer von Arco, wird 1914 im Tokyoter Stadtteil Shiba geboren. Nach dem Schulabschluss geht er für drei Jahre nach Brasilien. Im zweiten Weltkrieg arbeitet Kato in einer Autowerkstatt, die zum japanischen Rüstungsministerium gehört. Dann ist der Krieg vorbei und die Leute, die mit ihm gearbeitet haben, fragen den ideenreichen Tüftler: Was können wir tun?
Im Mai 1946 gründet Kato die Präzisionswerkstatt Asaka Seiko und verkauft Maschinenwerkzeuge sowie optische Geräte. Um Erfahrungen mit Spritzguss zu sammeln, baut Kato Modelleisenbahnen aus Metall. Und er beobachtet die Foto-Industrie. Denn schon als Kind hat er gern mit einer Box geknipst und in der Mittelschule gründete er sogar einen Fotoclub.
Stative, Stative
Schließlich beginnt Kato mit dem Bau von Kinostativen, die er in der Konstruktion bei Bell & Howell abkupfert. Im Juli 1949 beschließt er, komplett auf Fotogeräte umzuschwenken und organisiert seine bisherige Firma neu. Es entsteht Arco – das Wort ist eine Anlehnung ans Portugiesische und bedeutet Bogen; offenbar eine Reminiszenz an Katos Zeit in Brasilien.
Arco baut kompakte Metallstative, ist aber nicht damit zufrieden, dass sich die Höhe schlecht justieren lässt. So entsteht ein stufenlos verstellbares, sogenanntes „pre-stop“ Stativ, das in maximal vier Stufen auch selbsttätig einrastet. Filter und Entfernungsmesser werden ebenfalls gebaut.
Schon 1947 hat Chefkonstrukteur Masao Abe für Kato eine einäugige Spiegelreflexkamera entwickelt. Der eingebaute Metallschlitzverschluss wird zum Patent angemeldet. Doch der Firmenchef findet, sein Unternehmen ist zu klein, um aufwendige Mittelformatkameras für 6×6 cm Rollfilm zu bauen, zumal man dafür allerlei Objektive anbieten muss. Eine 35mm-Kompaktkamera wäre vorteilhafter. So wird 1951 der 6×6-cm-Bereich aufgegeben. Konstrukteur Abe wird von Kato in Klausur geschickt. Er soll eine eigenständige Kompaktkamera entwickeln, die über Balgen Nahaufnahmen ab 35 cm ermöglicht. Masao Abe ist ganz auf sich allein gestellt, denn sein Chef verbietet es ihm, andere Kameramarken zu Hilfe zu nehmen. „Originalität ist wichtig“, sagt Kato immer wieder. Neben 35-mm-Kameras fertigt Arco nun auch in großer Zahl Objektive mit Leica-Bajonett, zunächst aus Messing, später aus Aluminium.
Bei einer Reise in die USA entdeckt Kato den Trend zu 8-mm-Filmkameras. Er bringt eine DeJur mit, zeigt sie seinen Technikern und schlägt vor: Es möge eine Federwerkskamera mit 3-fach Objektivrevolver von höchster Qualität entstehen. Im Oktober 1956 ist es soweit. Nach Uriu Seiki (Cinemax) und Elmo ist Arco die dritte japanische Firma, die mit Filmkameras an den Start geht – kurz vor Canon.
Großartige Filmkameras
Aber mit was für 8-mm-Filmkameras! Zum ersten Mal 3-fach Objektivrevolver aus Japan! Zum ersten Mal schließbare Sektorenblende – Weltpremiere bei 8mm! Was Bolex Ende 1958 vorstellt, hat Arco schon 1956 realisiert. Das Gehäuse des ersten Geräts, der Arco 8 K, entwickelt Yukio Sano, das Innenleben gestaltet erneut Masao Abe, der auch die Sektorenblende konstruiert, ohne überhaupt zu wissen, wie so etwas genau funktioniert. Bei der amerikanischen Mitchell guckt er sich das Prinzip ab – ganz so, wie das Japaner damals eben machen. Und verkleinert die notwendige Welle der Sektorenblende auf einen Durchmesser von 3 mm, in die eine Nut von 1 mm Tiefe gefräst werden muss – Präzisionsarbeit. Für die Objektive, bis zu einer hervorragenden Lichtstärke von 1:1,4 lieferbar, ist Yoshio Nakamura zuständig.
Alle sechs Monate kommt Arco nun mit einem weiter verbesserten Modell auf den Markt. In Schweden sind die feinen Filmkameras ab 1957 über Mobackers Foto-Import zu haben – mit drei Jahren Garantie versehen. Die englische Firma Minster Trading Co., London, und die deutsche Varimex, Frankfurt/Main, vertreiben die Marke etwas später ebenfalls. Ab 1959 macht’s Neckermann möglich, kurz darauf heißt es, erstmal sehen, was Quelle hat. Auch die Firmen Süddeutsche Warenhandels GmbH in München, Hugo Kannegießer in Minden/Westfalen und der Südwest-Filmversand, Trier, waren in Sachen Arco aktiv.
Ähnlich wie das Pan Cinor zur Bolex, bringt Arco ein Objektiv mit eigenem Reflexsucher heraus. Es hat eine Brennweite von 75 mm bei Lichtstärke 1:2,8. Bis zur Reflexkamera mit Zoom ist es da nur noch ein kurzer Schritt. Im August 1960 kommt Arco mit dem Modell Zoom S, das erstmals ein nicht wechselbares Vario-Objektiv 1:1,8/11,5-33 mm beinhaltet.
Auch Projektoren im Angebot
Auch bei Projektoren ist Arco aktiv – allerdings etwas halbherzig. Gegenüber den robusten Kameras fallen die Family genannten Vorführkisten reichlich ab. Ein einfacher Mechanismus, wie vom Kodak Brownie her bekannt, steckt im ersten Family-Projektor mit Arco Talkie Sync, der für 18.800 Yen gehandelt wird. Das Licht kommt von einer 100 Volt/300 Watt Lampe, wird über einen Spiegel um 90 Grad umgelenkt und gelangt so durch Film und Objektiv auf die Leinwand. Der Projektor nimmt nur 60 Meter Spulen auf. Das spätere Modell Arco Synchro Family soll von der Qualität her etwas besser sein und kostet damals 20.800 Yen. Beide Geräte steuern über Kabel einen Synchronbaustein, an dessen Tonkopf der „Schnürsenkel“ eines Tonbandgerätes entlangläuft.
Am Rückgang der Preise lässt sich die Crux ablesen, in die Arco gerät. Aus der Arco Technica (K-803) für 78.000 Yen wird ein abgespecktes Modell 804, das 1958 noch 38.500 Yen kostet. Die Arco CH-8 Triomat ist im September 1959 bei etwa gleichen Funktionen für nur noch 29.800 Yen zu haben. Arco versucht, die Preise zu senken, kann bei den aufwendig konstruierten Kameras aber nicht von Einzelfertigung auf Bandmontage umstellen – Verluste entstehen. Ende 1960 ist das kleine Unternehmen zahlungsunfähig. Für die Fernsehanstalt Nippon Hoso Kyokai (NHK) wird noch die Arco TV 16 entwickelt, die drei Objektive trägt: 12,5/25/75 mm, alle mit der Lichtstärke 1:1,8. Fünf Kameras gelangen in den Export, für weitere 45 werden Teile gebaut und die Bedienungsanleitungen gedruckt. Aber mitten in der Montage – im Frühling 1961 – ist Arco endgültig pleite.
In der nächsten Folge berichtet Dieter Scherf von der einzigartigen Arco TV16 Filmkamera.