Flimmern made in Hamburg

Mit 100 Schmalfilm-Projektoren unterwegs

Jürgen Lossau, 08. Februar 2020

Alles fing in Hamburg an. Im Juni 2007, zur zweiten Nacht des Wissens, zeigte das Film- und Fernsehmuseum Hamburg seine Schätze im Hochbunker Finkenau. Dabei raffte ich die einsatzfähigen Projektoren aus unserem Gerätepark zusammen und führte mittels Endlosschleifen private Schmalfilme aus der Hansestadt vor. Im Hintergrund klang Elektrosound und rund 300 Besucher hatten viel Spaß an diesem Abend. Das stadtflimmern war geboren.

Projektion im Bunker Finkenau, Hamburg

Am Ende des Abends trat zunächst einmal Ernüchterung ein. Viele Projektoren hatten nach ein paar Stunden Einsatz schlapp gemacht. Die guten deutschen Maschinen von Bauer, Noris, Agfa oder Braun waren auf der Strecke geblieben. Nur die österreichische Marke Eumig lief um Mitternacht noch – und die Kisten von Bolex aus der Schweiz, die aber in Wahrheit mit Eumig-Technik vollgestopft sind.

Zweite Station Berlin
Damit war klar: Würde es noch mal zu einer solchen Installation kommen, dann nur mit den robusten Stummfilm-Modellen von Eumig und Bolex. Schon im nächsten Jahr war es soweit. In den hohen Räumen des Bierfasskellers der Berliner Kulturbrauerei Prenzlauer Berg zeigte ich im Sommer 2008 die Installation „100x Berlin“ mit Schmalfilmen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit. Vor allem die Super-8-Schwarzweißfilme mit den Szenen vom Bau der Mauer wirkten auf den Wänden aus rotem Ziegelstein sehr beeindruckend.

100x Berlin in der Kulturbrauerei Prenzlauer Berg

Wir benötigten 130 Geräte, um über zehn Tage jeweils acht Stunden lang 100 Projektoren am Laufen zu halten. Ein pensionierter Tüftler half bei der Reparatur der Eumig-Geräte, denen das Licht ausging oder der Riemen riss. Nach der Veranstaltung kam die Idee auf, aus dem Projekt eine Marke zu machen. Unter dem Namen stadtflimmern sind mein Mitarbeiter Gene Schulten und ich fortan unterwegs gewesen, um in eigenwilligen Locations Installationen aufzubauen.

Nächstes Ziel: Wolfenbüttel
Die Kasematten in meiner niedersächsischen Heimatstadt Wolfenbüttel waren unser nächstes Ziel. In den höhlenartigen Gängen zeigten 45 Projektoren Szenen aus den 1970er Jahren. Wie hat sich die Innenstadt verändert? Was war damals Mode? Welche Autos kurvten durch die Gassen der Fachwerk-City? Ein Mordsspass für über 3.000 Besucher, die während des Altstadtfestes 2016 in die dunklen Gänge kamen.

Andrang vor den Kasematten in Wolfenbüttel

 

Eine Geisterbahn der Erinnerungen – in Wolfenbüttel

 

Das Team hinter dem stadtflimmern in Wolfenbüttel: Gene Schulten (links) und Jürgen Lossau

 

Urige Projektion auf ungeschliffenen Steinhöhlenwänden

Im Rahmen der „Blauen Nacht 2017“ zeigte das stadtflimmern im Nürnberger Museum für Kommunikation und im DB Museum auf 100 Super-8-Projektoren außerirdische Erlebnisse. In einer großen Installation waren Filmschleifen der englischen TV-Serie UFO zu sehen, die 1970 entstanden ist. Die Filminstallation ratterte zum Sound der Serie bis spät in die Nacht. Foyer, Treppenhaus und Säle des Museumskomplexes wurden Schauplatz des Spektakels. Wie hat man sich 1970 die Zukunft vorgestellt? Offenbar mit lilafarbenen Haaren, silbrig glänzenden Kostümen und Netzhemden – denn so zeigten sich die Akteure der britischen Serie. 7.000 Besucher kamen in sieben Stunden. Wow!

UFO Landung im Super 8 Format, Nürnberg

Auf nach Hannover
Im Juni 2017 brachten wir alle Projektoren ins Historische Museum Hannover. Unserem Aufruf, private Schmalfilme für die Installation zur Verfügung zu stellen, waren über 100 Bewohner der Landeshauptstadt gefolgt. 125 Filmrollen wurden eingeschickt. Daraus entstand neben der Installation auch eine DVD mit dem Titel „Hannover auf Schmalfilm“. Auf der Scheibe wurden in 120 Minuten die besten Szenen des Projekts vorgestellt: Das Straßenleben rund um den Kröpcke, der Zoo, die Messe Hannover, Ausflüge ans Steinhuder Meer und in die Herrenhäuser Gärten. Rund 3.200 Besucher ließen sich den Flimmerabend im Rahmen der Nacht der Museen nicht entgehen. Und weil es so schön war, hatte uns das Museum 2018 wieder eingeladen, die Projektoren zwischen ihren ausgestellten Schätzen zu platzieren.

Super 8 Einzelbilder aus den 1970er Jahren in Hannover (4 Bilder)

 

Das stadtfimmern-Team im Historischen Museum Hannover.   Foto: Marlon Roth

Doch zuvor mussten wir auf einen Weihnachtsmarkt, den von Wolfenbüttel. Wegen des großen Erfolgs hatte Bürgermeister Thomas Pink das stadtflimmern wieder in den Ort geholt. Und wir machten ein richtiges Weihnachtsflimmern daraus. An allen vier Adventswochenenden 2017 spielten wir im ehemaligen Ratskeller, direkt am Stadtmarkt, sehr private Szenen: Fröhliche Feiern unterm Tannenbaum und wilde Silvesterparties. Die von den Menschen der Lessingstadt eingereichten Szenen wurden – wie immer – vorgesichtet und ausgewählt. Besonders ikonische Bilder waren gefragt: Geschenke wie die Märklin-Eisenbahn, die Carrera-Rennbahn oder das Bonanza-Rad – Symbole der Kindersehnsüchte aus den 1970er Jahren. Unser Aufwand wurde belohnt. Über 6.000 Menschen wollten sich das Weihnachtsflimmern nicht entgehen lassen.

Super 8 Bilder vom Weihnachtsflimmern Wolfenbüttel (4 Bilder)

Borken flimmert
Oktober 2018: Im westlichen Münsterland fanden wir uns in Borken ein. Dort wurde gerade das Forum Altes Rathaus zu einem schönen Heimatmuseum umgebaut. Und bevor alle Wände behängt und alle Räume mit Vitrinen voll gestellt wurden, konnten die Borkener Bürger ihr Haus der Geschichte auf sehr eigene Weise in Besitz nehmen – mit ihren eigenen alten Schmalfilmschätzen. Rund 100 Super-8-Filme kamen zusammen, die den Ort, die Feste und das Leben in und um Borken zeigten.

Das stadtlimmern-Team in Borken

Wieder haben wir unsere Projektoren mit speziellen Drahtkonstruktionen ausgestattet, um die Filme als Endlosschleifen durch die Geräte zu schicken. Nur so kann eine stundenlange Vorführung ohne Unterbrechung gewährleistet werden. 3.000 Besucher kamen an dem Wochenende vorbei.

In die Heimat der Projektoren
Eine besondere Ehre erwartete uns im Mai 2019: Das stadtflimmern-Team kam zum ersten Mal nach Österreich. Und zwar zum Geburtsort der Eumig-Projektoren, Wiener Neudorf! Die Firma Eumig, einstmals größter Tonfilmprojektoren-Hersteller der Welt, wäre 2019 stolze 100 Jahre alt geworden. stadtflimmern projiziert mit Eumig-Geräten, die schon knapp 50 Jahre alt sind und immer noch verlässlich laufen. Für die Installation EumigFlimmern zeigten wir auf 100 Projektoren die Arbeit in den Werkshallen, so wie sie in den 1960er und 70er Jahren aussah. In Wiener Neudorf arbeiteten früher 1.600 Menschen in den Werkshallen und 500 Angestellte in der Zentrale von Eumig.

Eumig hatte landesweit zeitweise über 6.500 Angestellte und war einstmals der größte private Arbeitgeber Österreichs. Das Unternehmen setzte auch soziale Standards: Als erstes Großunternehmen des Landes führte Eumig die 40-Stunden-Woche ein und machte alle Arbeiter zu Angestellten.

Zwei Männer mit 100 Projektoren: eumigflimmern in Wiener Neudorf

„Ich habe mir nicht vorstellen können, wie das Ganze funktioniert“, sagte Herbert Janschka, Bürgermeister von Wiener Neudorf, bei der Eröffnung des EumigFlimmerns. „Jetzt bin ich überwältigt. Und ich bin fürchterlich dankbar, dass der Gemeinderat dem Projekt zugestimmt hat. Das ist sicher einer der Höhepunkte der Kultur in Wiener Neudorf 2019 und der Landesausstellung in diesem Jahr.“ Wir warten derweil gespannt auf die nächsten Herausforderungen für unser Projekt stadtflimmern, das in Hamburg seinen Ursprung nahm.

Projektion in Hannover


Wir danken unseren Sponsoren, die das Entstehen des Super 8 Webportals möglich gemacht haben.

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