Pflegen und Hegen
Verjüngungskur im Filmarchiv
Wenn jemand in die Jahre kommt, sollte er Stress vermeiden, sich von Fressorgien fernhalten, hinter keinem Bus herlaufen, kurz, er muss langsamer treten. Diese goldene Lebensregel ist auf betagte Filme, wie sie in vielen Archiven und Sammlungen schlummern, leider nur bedingt anwendbar. Man kann zwar auf das meist fortgeschrittene Alter solcher Streifen Rücksicht nehmen, indem man bei der Vorführung behutsam mit ihnen umgeht, doch würde es schon Irritationen hervorrufen, wenn man sie um der Schonung willen einfach mit reduzierter Geschwindigkeit laufen ließe. Jeder dem perforierten Material Verfallene, ob Selberfilmer oder Sammler, wird daher bemüht sein, die wertvollen Filme in einem Zustand zu erhalten, der die einwandfreie Vorführung garantiert. Ronald Vedrilla gibt Tipps zur Lagerung, Konservierung und Instandsetzung von Filmen.
Mechanische Beschädigungen
Der Lauf durch den Projektor ist für einen Film nicht ganz ohne. Sogar ein bestens gewartetes, intaktes Gerät strapaziert das Material in erheblichem Maße. Vor allem der Greifer, der für den ruckweisen Filmtransport auf Höhe des Bildfensters sorgt, haut ständig unerbittlich in die Perforationslöcher. Lediglich ein relativ aufwendiges, seltenes Schrittschaltwerk mit Malteserkreuzgetriebe beansprucht den Film in dieser Hinsicht weniger. Zudem vermag schon ein vorwitziges Staubkorn, das sich beim Aufwickeln zwischen zwei Lagen des Filmbands geschummelt hat, kleinere Schrammen auf der Schicht- oder Blankseite zu verursachen. Vor allem dann, wenn ein unkundiger Vorführer den Fehler macht, einen etwas locker aufgewickelten Film stramm zu ziehen. Doch ist das nichts gegen jene Laufstreifen und Kratzer, die von Projektoren mit verdreckter Filmbahn regelrecht in die Filme eingeritzt werden. Grund dafür sind Ablagerungen der Filmschicht an den Führungselementen, gepaart mit Staubansammlungen, die sich an diesen sensiblen Stellen vor allem in Geräten anhäufen können, die übermäßig mit Öl und anderem Schmiermittel bedacht wurden.
Schmutz ist nach wissenschaftlicher Definition nichts anderes als „Substanz am falschen Ort“ und ein Konglomerat aus abgeschabter Emulsion, Öl, Staub und eventuell noch losgelösten Partikeln von der Magnetpiste hat im Bereich des Filmandrucksystems um das Bildfenster wahrlich nichts zu suchen! Zum einen erschwert es den Filmtransport, so dass der Greifer mehr Arbeit leisten und damit kräftiger ins Perforationsloch drücken muss, was nicht unbedingt zu einer erhöhten Lebensdauer des Films beiträgt. Zum anderen schleift dieses abgelagerte, mit der Zeit oft stark verhärtete Material bei jeder Vorführung munter über die Filmoberfläche und hinterlässt dort seine Spuren in Form von unterschiedlich breiten Streifen. Sehr störend wirkt es auch, wenn sich derartige Laufstreifen in den Bereich der Lichttonspur verirren, was man zwar nicht auf der Leinwand sieht, bei der Tonwiedergabe aber deutlich durch ein verstärktes Rauschen zu hören bekommt. Deshalb sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, die filmführenden Teile des Projektors peinlichst sauber zu halten und grundsätzlich nach jedem Filmdurchlauf zu reinigen. Servicefreundliche Geräte, bei denen sich wie beim SIEMENS 2000 oder den Modellen der BAUER-P-Serien der gesamte Objektivträger mit einem Griff abnehmen lässt, sind hier im Vorteil.
Auch eine schlechte Klebestelle, gleichgültig, ob in trocken oder nass ausgeführt, kann zu einer massiven Filmschädigung führen. Gute, haltbare Klebestellen, die unauffällig durch den Projektor flutschen und dabei nicht hüpfen, dürften im Interesse aller Filmbeflissenen liegen. Denn bereits eine im Zuge der Vorführung aufgehende Klebestelle kann zur Beschädigung von angrenzenden Teilen des betreffenden Films führen, indem der Streifen je nach Böswilligkeit des Projektors zerhackt oder wie eine Ziehharmonika zusammengedrückt wird.
Noch gravierender können die Folgen sein, wenn es eine Filmschlaufe aufgrund einer holperigen Klebestelle heimlich wegreißt und der Greifer danach munter in die Perforation hackt, was kräftige Einrisse mit sich bringt. Der versierte Filmer merkt eine derartige Fehlfunktion sofort, da sich nicht nur der Bildstand verschlechtert, sondern auch das Laufgeräusch des Projektors zunimmt und oft bis zu einem heftigen Knattern anschwillt. Er wird die Vorführung umgehend abbrechen, die weggezogene Schlaufe wiederherstellen und später nach dem Grund für die Panne suchen.
Am meisten strapaziert werden die einzelnen Filmrollen auf den ersten Metern, da sie dort die Prozedur des Einlegens über sich ergehen lassen müssen. Der Filmanfang wird insbesondere bei Projektoren mit Einfädelautomatik ziemlich beansprucht. Damit der kostbare Film nicht selber davon in Mitleidenschaft gezogen wird, ist es wichtig, dass genügend weißer oder grüner Vorspann an den Beginn geklebt wird. Bei 8 mm ist das wenigstens ein Meter, bei 16 mm etwa die doppelte Menge, also zumindest in der Länge, wie man sie zum Einlegen des Films benötigt. Bei manchen Kopien, die auf dem Sammlermarkt kursieren, ist zu beobachten, dass der Vorlauf bis auf den letzten Zentimeter abgeknabbert wurde und oft leider auch schon etwas vom Titel am Anfang der Rolle fehlt. Angesichts einer solchen Kopie kann man annehmen, dass es sich bei deren Besitzer um einen wegen Knauserigkeit ausgewiesenen Schotten handelt, der wohl einiges Geld in den Erwerb des Films gesteckt hat, ohne aber willens zu sein, ein paar Euro in die Beschaffung von Filmvorspann zu investieren.
An den Schluss der Filmrolle gehört ein Stück Rotfilm, der dem Vorführer deutlich signalisiert, dass der Filmstreifen hier sein Ende hat. Diese rot eingefärbte Nachhut kann eine geringere Länge besitzen als der Vorlauf am Anfang, da dieser Teil des Films nicht dem strapaziösen Wirken der Einfädelautomatik ausgesetzt ist. Leute, die einen guten, alten Handeinleger wie den SIEMENS 2000 besitzen, können angesichts dieses Problems nur schmunzeln. Doch auch bei solchen Geräte ist es von Vorteil, wenn der Film genügend Vor- und Nachspann besitzt, da Anfang und Ende der Filmrolle nicht nur beim manuellen Einlegen, sondern auch beim Rückspulen munter begrabscht werden und anderen Verschmutzungsmöglichkeiten ausgesetzt sind.
Pannenhilfe
Ist der Film während der Projektion gerissen, sollte man die beiden Stücke nicht sofort wieder über eine endgültige Klebestelle zusammenfügen. Vernünftiger ist es, die Filmteile provisorisch mit einem Stück Tesafilm zu verbinden, um die Vorführung nicht unnötig lange zu unterbrechen. Die gewissenhafte Reparatur erfolgt später beim Rückspulen, was in diesem Fall am besten auf dem Handumroller und nicht mit dem Projektor geschehen sollte. Man hat dann Gelegenheit, das Material in Ruhe sorgfältig zu kleben und kann außerdem die daneben liegenden Bereiche auf weitere Schäden überprüfen. Umrollvorrichtungen gibt es viele, doch besonders zu empfehlen ist ein Gerät, das einst von Siemens geliefert wurde (Bezeichnung: Smf.sp7a / Sf.ZU 68.2). Es eignet sich für Spulen bis zu 600 m, ist für 16 mm sowie Normal-8 ausgelegt und kann damit auch Super 8-Spulen mit N8-Adapter aufnehmen. Doch Vorsicht: Es gab auch einen Siemens-Umroller, auf den lediglich Spulen bis 240 m passten. Mit dieser Ausführung (Fot.div.42d / Sf.ZU 68.1) kann vielleicht der 8-mm-Filmer noch etwas, der 16-mm-Spielfilmsammler jedoch wenig anfangen. Siemens lieferte auch eine Klebepresse für die Formate Normal-8 und 16 mm, die fest auf dem Umroller montiert werden konnte und sich wie fast alle Produkte der Siemens-2000er-Reihe durch eine enorme Robustheit auszeichnete. Leider arbeitet sie nicht nach der Keilschlifftechnik, so dass sich bei jeder Klebestelle eine kleine Stufe bildet, die der Magnettonabtastung wenig bekömmlich ist. Besser bewährt hat sich das Keilschliffmodell von Bolex, das es in zwei Ausführungen gibt, für Normal-8/Super 8 und 16 mm. Dieses Gerät wurde einst von der Stiftung Warentest mit „sehr gut“ bewertet.
Für Superachtler empfehle ich die einst von Agfa gefertigte Nassklebepresse vom Typ „N8 S“, mit der sich hervorragend arbeiten lässt, auch wenn das Gerät aufgrund seiner vielen Plastikteile auf den ersten Blick kein besonders großes Vertrauen einzuflößen vermag. Es stammt aus dem renommierten „Agfa-Kamerawerk“ in München und beweist, dass hier Fachleute am Werk waren, die sich an der Praxistauglichkeit und nicht etwa an einem eleganten Aussehen ihrer Produkte orientierten.
Wenn ein Film reißt, was bei Polyestermaterial übrigens kaum passiert, hat man dafür zu sorgen, dass die beiden Enden möglichst verlustfrei wieder zusammengefügt werden. Beim Nasskleben, was bei Polyester nicht möglich ist, geht dabei im günstigsten Fall zumindest ein Filmbild verloren, da sich die beiden Filmenden überlappen. Verläuft der Riss gar schräg durch den Film, also nicht senkrecht zur Filmaußenkante, so muss man für das Zusammenkleben mit Filmkitt oft gleich mehrere Bildchen entfernen. In einer solchen Situation empfiehlt sich die Trockenklebemethode, da man mit der Klebefolie auch schräge Einrisse ohne Bildverlust reparieren kann.
Trockenklebepressen gibt es für alle Formate. Einige Modelle arbeiten mit fertig zugeschnittenen Klebefolien, andere mit Klebeband, das erst im Klebeprozesses auf das richtige Maß getrimmt wird. Besonders empfehlenswert ist die Oscar-prämierte Trockenklebepresse CIR Catozzo. Es sei darauf hingewiesen, dass es sich dabei um ein für den professionellen Einsatz bestimmtes Gerät handelt, das entsprechend teuer ist. Wer weniger anlegen will, kann auf das einfachere Modell ausweichen, das bei Wittner Cinetec in der Metallversion erhältlich ist. Bei der Beschaffung des Klebebands sollte man nicht am falschen Ende sparen und irgendein Billigfabrikat verwenden, sondern strikt darauf achten, das für speziell diesen Klebeprozess bestimmte Produkt zu nehmen. Es gab sogar für Normal-8 eine solche Trockenklebepresse, die unter dem Namen des italienischen Filmherstellers „Ferrania“ lief, aber ebenfalls von CIR (Costruzione Incollatrici Rapide) gefertigt wurde.
Besonders saubere Nassklebestellen in eleganter Technik stellt der Filmhobel her, der auch Filmspalter genannt wird. Die Firma Hammann in Amorbach fertigt dieses Gerät. Früher lief es auch unter Bezeichnungen wie Ritter-, Geyer- oder Arri-Hobel. Es erlaubt weitgehend staubfreies Arbeiten. Bei herkömmlichen Nassklebepressen wird die Emulsionsschicht mittels einer Schleifeinrichtung im Bereich der Klebestelle abgeraspelt und die vom Filmträger losgelösten Staubpartikel müssen sorgfältig vor dem Kleben mit einem Pinsel entfernt werden. Dabei verteilen sie sich gerne über angrenzende Filmstücke. Dies kann bei einem Hobel nicht passieren, da ein keilförmiges Stück vom Film in einem Arbeitsgang abgeschnitten wird, so dass der lästige Staub nicht auftritt. Die Breite einer solchen Klebestelle beträgt nur 1,05 mm und gewährleistet einen optimalen Kontakt zwischen den zu verklebenden Szenen. Zu diesem Hobel liefert Hammann auch eine Klebepresse, die aber von manchen Filmern nicht besonders geliebt wird. Man kann auch eine andere nehmen.
Besonders gut funktioniert der Filmhobel bei frischem Celluloseacetat, während älteres, ausgetrocknetes Material unter Einwirkung des Hobels bisweilen zum Zersplittern neigt und Probleme bereiten kann. In einem solchen Fall wird man dann doch besser zur normalen Nass- oder Trockenklebepresse greifen. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass nach DIN nur die Nassklebestelle als archivfähig gilt. Bei Trockenklebestellen kann die Klebefolie nämlich im Lauf der Jahrzehnte spröde und rissig werden, so dass sie ihre Aufgabe nicht mehr im vollen Umfang erfüllt. Außerdem besteht bei Verwendung von weniger hochwertigem Klebeband die Gefahr, dass der Kleber nach längerer Zeit seitlich an den Bandrändern hinauswandert und die Filmoberfläche verschmiert.
Noch ein paar Worte zum Filmkitt fürs Nasskleben: Es handelt sich dabei um eine Mischung diverser Lösungsmittel. Je nach Hersteller sind Verbindungen wie 1.4-Dioxan, Dichlormethan, Methanol und Butanon in wechselnden Anteilen enthalten. Das mag für den Laien gefährlich klingen, doch kommen beim Kleben so geringe Mengen zum Einsatz, dass der Umgang damit weitgehend unbedenklich ist. Je frischer die Inhaltsstoffe sind, umso bessere Klebestellen entstehen. Von betagtem Filmkitt, der bereits eine erhöhte Viskosität und die Farbe von abgestandenem Tee angenommen hat, kann man nicht mehr erwarten, dass er Klebestellen von dauerhafter Festigkeit liefert. Während des Filmschnitts ist darauf zu achten, dass die Flasche mit dem Kitt nie zu lange offen stehen bleibt, damit das Mittel keine größeren Mengen an Luftfeuchtigkeit aufzunehmen vermag. Deshalb muss die Flasche nach der Kittentnahme schnell wieder verschlossen werden.
Alterserscheinungen
Es dürfte allgemein bekannt sein, dass man Filmmaterialien jeder Art möglichst kühl lagern sollte, da die Geschwindigkeit aller chemischen Reaktionen, also auch der Alterungsprozesse, mit steigender Temperatur zunimmt. Die Aufbewahrung in zu warmer Umgebung kann dazu führen, dass die Filme vorzeitig austrocknen, schrumpfen und sich die Farben von Colormaterialien verändern. Lange Zeit hieß es, man solle Kopien ebenso wie Umkehroriginale in luftdichten Dosen aufbewahren, die zur Sicherheit noch mit Lassoband zu umkleben wären. Spätestens seitdem bei Sicherheitsfilm (Acetylcellulose/Cellulosetriacetat) bisweilen auftretenden Essigsäuresyndrom (Vinegar Syndrom) kann eine solche Empfehlung nicht mehr aufrecht erhalten werden, da die während des Zerfallvorgangs entstehenden Dämpfe von Essigsäure die Möglichkeit haben sollten, umgehend zu entweichen. Es handelt sich bei dieser Reaktion um einen autokatalytischen Prozess, das heißt, die frei werdende Essigsäure wirkt als Katalysator (Reaktionsbeschleuniger), der die Zersetzung der mit Essigsäure veresterten Cellulose (= Acetylcellulose; besser wäre die Bezeichnung Cellulose-Essigsäureester) zusätzlich ankurbelt. Dem versuchen einige Filmsammler dadurch zu begegnen, dass sie ihre Kopien überhaupt nicht mehr in verschlossenen Dosen aufbewahren. Sie nehmen lieber einen gewissen Grad der Austrocknung als den Zerfall des Trägermaterials in Kauf.
Eine andere Möglichkeit, das Essigsyndrom zwar nicht zu stoppen, aber doch deutlich zu verlangsamen, besteht darin, das von Kodak entwickelte „Molekularsieb“ dem in einer Dose gelagerten Film beizugeben. Dieses Absorbtionsmittel ist so ausgelegt, dass es die entstehende Essigsäure unverzüglich bindet und so den sich selbst beschleunigenden Zerfall der Acetylcellulose abbremst. Prinzipiell sollte man Filme, die vom Essigsyndrom betroffen sind, getrennt von „gesundem“ Material lagern, damit dieses nicht in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Hat die Reaktion der hydrolytischen Spaltung erst einmal eingesetzt, ist sie nach heutigen Erkenntnissen nicht mehr zu stoppen, wohl aber durch die hier angeführte Behandlung merklich zu verlangsamen.
Es kann durchaus sein, dass sich ein nach Essigsäure riechender Film noch über viele Jahre hinweg problemlos vorführen lässt. Dies wird erst dann unmöglich, wenn der Zerfallsprozess so weit fortgeschritten ist, dass der Filmstreifen nicht mehr anstandslos durch den Projektor läuft. Dieses Syndrom kann bei Filmen auf Polyesterbasis nicht eintreten. Deshalb ist hier keine Beigabe des Molekularsiebs erforderlich. Auch Farbumkehrmaterial wie Kodachrome I/II/25/40 im Archiv des Autors war noch niemals davon betroffen.
Sind Filme auf der Basis von Acetylcellulose spröde geworden, lassen sie sich mit einfachen Mitteln auffrischen, so dass sie in den meisten Fällen wieder problemlos vorgeführt werden können. Für diese Behandlung werden verschiedene Produkte angeboten, eines davon ist das amerikanische „Filmrenew“, das sich als effektiv erwiesen hat. Ausgetrocknete, brüchige Filme werden damit Stück für Stück am Handumroller eingerieben. Nach einer gewissen Zeit kann das Regenerationsmittel bei einem erneuten Umrollen wieder mit einem frischen Tuch entfernt werden. Bei besonders überholungsbedürftigen Streifen empfiehlt es sich, das Filmrenew nicht nachträglich zu entfernen, sondern auf dem Film zu belassen, bis es sich von selbst verflüchtigt hat. Auf diese Weise kann man sogar leichte Schrumpfungserscheinungen ausbügeln.
Einen stärker von diesem Effekt betroffenen Film legt man regelrecht in Filmrenew ein, wo er dann für Wochen oder auch Monate im Regenerationsmittel ruhen kann. Es ist möglich, auf diese Weise selbst stärkere Schrumpfungen rückgängig zu machen, doch sind dem Verfahren Grenzen gesetzt. Es mag also durchaus vorkommen, dass extrem geschrumpfte Filme nicht mehr auf das richtige Maß zu strecken sind. Die gesamte Behandlung hat in Filmdosen aus Blech zu erfolgen. Der Film muss sich auf einer Metallspule befinden, da Plastikmaterial durch Filmrenew angegriffen wird. Auch alle Trockenklebestellen öffnen sich unter Einwirkung dieses Mittels. Das Klebeband fällt einfach ab; das ist einer der Gründe, warum viele Filmsammler ihre Streifen bevorzugt nass kleben. Es ist mühsam, einen ganzen Spielfilm, der im 16-mm-Format normalerweise eine Länge von mehr als einem Kilometer hat, per Hand mit dem Frischhaltemittel einzureiben, doch vor den Erfolg hat die Chemie bekanntlich den Schweiß gesetzt.
Ein in seiner Wirkung vergleichbares Produkt ist „Vitafilm“, ein Filmauffrischungs- und Konservierungsmittel, erhältlich bei „Stewart Motion Picture Services“ (Burbank, USA). Bisweilen ist zu hören, dass solche Regenerationsmittel sogar das Essigsyndrom zu stoppen vermögen, doch ist derartigen Meldungen mit Vorsicht zu begegnen. Wissenschaftlich haltbare Untersuchungen fehlen hierzu noch und ohne diese gehören solche Aussagen in den Bereich der Sagenwelt. Vitafilm hat ähnliche Eigenschaften wie Filmrenew und ist in gleicher Weise zu handhaben, weist jedoch einen deutlich stärkeren Geruch auf, der nicht jedem sympathisch sein dürfte. Daher empfiehlt sich der Einsatz im Freien (Balkon, Terrasse), auf jeden Fall in einem gut durchlüfteten Raum. Das Einatmen dieser Substanzen in größeren Mengen ist der Gesundheit nicht förderlich.
Schwindende Farben
Die als Folge des Essigsyndroms freigesetzte Säure kann noch einen weiteren nachteiligen Effekt speziell auf Colormaterial ausüben: Die in der Emulsion eingelagerten Farbstoffe verblassen schneller. Geschieht das nicht bei allen drei Schichten in gleichem Maße, treten markante Farbstiche auf, meist nach Rot, da die blaugrüne Komponente in der überwiegenden Zahl der Fälle als erstes verschwindet. Es bleibt allerdings festzuhalten, dass nicht nur die beim Essigsyndrom frei werdende Säure zu einer Verringerung der Farbsättigung führen kann. Insbesondere bei der Herstellung von Filmkopien, die für den Kinoeinsatz bestimmt waren, wurde oft im Labor nicht sorgfältig genug gearbeitet. Vor allem an der Schlusswässerung haben manche Kopieranstalten gerne gespart, so dass Restchemikalien, überwiegend Thiosulfat vom Fixierprozess, in der Emulsion verblieben und dort über die Jahre ihrem zerstörerischen Treiben nachgehen konnten. Lediglich der großartige Dye-Transfer-Prozess (IB-Tech) von Technicolor, der sich allerdings nur zur Anfertigung von Filmkopien eignete, und das Kodachrome-Verfahren haben sich als recht farbstabil erwiesen.
Grundsätzlich sind für den Farbverlust bei Coloremulsionen zwei Prozesse verantwortlich: das „light fading“, das Ausbleichen unter Lichteinwirkung, und das „dark fading“, womit man die Zersetzung der Farbstoffe ohne Lichtzufuhr meint. Gegen das „light fading“ war auch Kodachrome nicht übermäßig resistent, doch wird ein Film normalerweise nur während der Vorführung kurzfristig dem Licht der Projektionslampe ausgesetzt. Ansonsten ruht er unter Lichtabschluss in der Dose. Das „light fading“ kann also beim Laufbild weitgehend vernachlässigt werden. Anders bei einem Diapositiv, das möglicherweise für längere Zeit von der intensiven Strahlung der Projektionslampe durchleuchtet wird.
Für den Film ist nur das „dark fading“ relevant und dieser Effekt tritt je nach Art des Colormaterials unterschiedlich stark in Erscheinung. Besonders Kinostreifen älteren Datums, allen voran auf Gevacolor, Sovcolor, aber auch auf Agfacolor und Eastman Color kopierte weisen heute meist lediglich ein müdes Rot auf. Die restlichen Farben haben sich längst verabschiedet. Man sollte allerdings dabei bedenken, dass solche Kopien eigentlich nur für den Kinoeinsatz bestimmt waren, wo sie oftmals innerhalb weniger Jahre verschlissen und dann ausgemustert wurden, bevor sie ihre Farben verloren. Dass sich Celluloidsammler die betagten Streifen später einmal an Land ziehen würden, konnte damals noch niemand vorhersehen.
Verschiedentlich werden sogenannte „Color Rebalance Filter“ angeboten, die man vor das Projektionsobjektiv setzt, um den roten Farbstich zu kompensieren. Man sollte jedoch von diesen blaugrün eingefärbten Glasscheiben keine Wunder erwarten. Bei Filmen, die lediglich etwas zu warm in der Farbwiedergabe sind, mag das helfen. Fehlt die blaugrüne Komponente in der Emulsion bereits ganz, vermögen auch diese Spezialfilter wenig auszurichten. Bei der Projektion ist außerdem zu berücksichtigen, dass die farbigen Filterscheiben einiges an Licht schlucken.
Kopien auf moderneren Printmaterialien und auch nach dem Prozess E6 verarbeitete Umkehroriginale scheinen mittlerweile eine wesentlich verbesserte Farbstabilität zu haben, doch Endgültiges dazu werden uns erst die kommenden Jahrzehnte offenbaren. Und die selber filmenden Amateure, die so klug waren, stets Umkehrmaterial des Typs Kodachrome zu verwenden, dürften in Sachen verblassender Farben ohnehin keine unangenehmen Überraschungen in ihren Archiven erleben. Auch das von Kodak in den frühen 1980er Jahren eingeführte Eastman-LPP-Printmaterial (LPP = Lowfade Positive Print) hat nach heutigen Erkenntnissen eine sehr gute Farbstabilität. 1998 wurde es durch die „Kodak Vision Series“ ersetzt.
Kontaktadressen:
Filmrenew, URBANSKI FILM, PO Box 438, Orlando Park, IL 60462-0438, USA, Tel. 708 460‑9082, Fax 708 460‑9099; Internet: www.urbanskifilm.com
Vitafilm, Stewart Motion Picture Services, PO Box 587, Burbank, CA 91503, USA; Internet: www.stewartmps.com
Molekularsieb: https://monochrom.com/bilder-archivieren/hilfsmittel/reinigung/kodak-molekularsiebe
FFR-Film Ralf Wornast, Buchwiese 3, 65510 Idstein, Tel. 06126/71312, E-Mail: wornast@t‑online.de, Internet: www.ffr-film.de
Ronald Vedrilla war durch seine langjährige Mitarbeit einer der bekanntesten und profiliertesten Autoren des Magazins schmalfilm, das bis 2013 im Fachverlag Schiele & Schön erschien. Dieses im März 2020 aktualisierte Manuskript können wir dank der Zustimmung seiner Witwe veröffentlichen.